Kinderrechte in Deutschland
Engagement – Information – Vernetzung

26.11.2008

Grenzenloses Werben? – Wissenschaftler und Medienpraktiker diskutierten Formen und Wirkung crossmedialer Markenstrategien als Herausforderung für den Jugendschutz

Welche Rolle spielt Markenwerbung in der Welt der Kinder? Mit welchen Formen versuchen Unternehmen, Kinder für ihre Produkte zu interessieren? Welche Werte werden über Werbung kommuniziert und was bedeutet das für den Jugendschutz? Diese Fragen diskutierten Wissenschaftler und Medienpraktiker auf Einladung des Deutschen Kinderhilfswerkes, der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen e.V., der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) und des Vereins zur Förderung der publizistischen Selbstkontrolle.

Sandra Ostermann vom Deutschen Kinderhilfswerk regte in ihrem Vortrag an, Kinder dabei zu unterstützen, kompetente Entscheider zu werden. Denn Kinder wissen sehr gut, welche Medien es gibt und was sie damit machen wollen. Dem Deutschen Kinderhilfswerk ist es wichtig, dass Kinder alle Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Medien und deren Inhalte kennen lernen. „Wir setzen uns schon seit Jahren dafür ein, dass Kinder darin unterstützt werden, Medien kompetent, selbstbestimmt und kreativ zu nutzen. Ziel ist es, dass sowohl die Kinder als auch ihre Eltern, die Medien ohne Gefahr und mit viel Spaß einsetzen“ verkündete Sandra Ostermann. Zum Thema Werbung bietet das Deutsche Kinderhilfswerk das Faltposter „Tri tra Werbekasper“ an, das auf der Vorderseite hilfreiche Tipps und Informationen zum Thema Werbung sowie auf der Rückseite ein passendes Postermotiv gibt. Zudem wurde dem Publikum die Rubrik „Taschengeld & Kosten“ der Kinderwebsite www.internauten.de vorgestellt, in der ausführlich über Werbung im Internet informiert wird. Die Internauten sind ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Kinderhilfswerkes, der FSM und MSN Deutschland.

Dass Werbung als ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und als ein Grundrecht auf Meinungsäußerung aus unserem Alltag nicht wegzudenken ist, machte Rechtsanwalt Dr. Matthias Heinze einleitend deutlich. In seinem Vortrag über den rechtlichen Rahmen für Werbung in Fernsehen und Internet kristallisierte er mit Blick auf die Europäische Union drei große Trends in der Regulierung heraus. So werde es für Fernsehen und Internet eine gemeinsame Werberegelung geben. Daneben rechnet Heinze mit einer Lockerung der Regulierung: dem Wegfall von Mindestabständen bei Werbespots und der Zulassung von Product Placement. Andererseits würden in der Zukunft Werbung für Tabakwaren sowie die Propagierung von gesundheitsgefährdenden Verhaltensweisen untersagt sein.

Welche Rolle Werbung – insbesondere prominente Medienmarken – für Kinder spielen, beleuchtete Dr. Claudia Lampert vom Hans-Bredow-Institut. Sie konstatierte eine hohe Präsenz von Medienmarken wie Pokémon oder Harry Potter im Alltag von Kindern und stellte fest: „Kinder werden immer früher als eigene Konsumenten angesprochen.“ Dabei könnten Medienmarken eine übermäßige Orientierungsfunktion übernehmen – eine Tatsache, die „kaum als Problem wahrgenommen“ würde. Nötig sei deshalb die Förderung einer Werbe- und Verbraucherkompetenz, so Lampert.

Professor Roland Rosenstock von der Universität Greifswald sah diesbezüglich vor allem Nachholbedarf bei den Eltern, damit „man dann in der Familie entscheiden kann, was ich in meine familiäre Welt reinlasse und was nicht“. Denn Kinder entwickelten ihre Werbekompetenz erst nach und nach – abhängig von ihrer Medienerfahrung und vom Alter. Kinder bis fünf könnten noch gar nicht Reklame als solche ausmachen, erst mit dem Grundschulalter sei eine Differenzierung möglich. Zudem würden im Internet die Grenzen zwischen Werbung und anderen Inhalten zunehmend verschwimmen.

Klare Qualitätsnormen für Kinderwerbung forderte denn auch der Vorsitzende des Vereins „Erfurter Netcode“, Professor Burkhard Fuhs von der Universität Erfurt. Er stellte Kriterien vor, an denen sich Werbung für Kinder orientieren sollte. Neben formalen Gesichtspunkten gehe es dabei auch um die Frage, welche Werte Werbung vermittelt: Fördern sie die Entwicklung des Kindes oder sind sie etwa gesundheits- oder sozial beeinträchtigend?

Vertreter aus der Praxis stellten anschließend ihren Umgang mit Werbung zur Diskussion. Der Jugendschutzbeauftragte bei Kabel Eins, Martin Rabius, demonstrierte an Beispielen, wie ambivalent klassische Werbetrailer wie zum Beispiel „Spiderman“ gerade auf Kinder wirken können. In umstrittenen Fällen würden sich die Jugendschutzbeauftragten der privaten Fernsehsender deshalb vor einer Ausstrahlung untereinander abstimmen: Da gingen mitunter „bis zu 100 Mails“ hin und her, bevor eine Entscheidung falle. Für die Zukunft sieht Rabius Handlungsbedarf – mit Blick auf die Verschmelzung von Fernsehen und Internet. „So rapide, wie die kreative Entwicklung in der Werbung voranschreitet, müssen wir uns Gedanken machen, was ist entwicklungsbeeinträchtigend und was ist in Ordnung. Da gibt es im Augenblick noch keine festen Kriterien, Ideen, Pläne.“

Dr. Silke Springensguth von AOL Deutschland Medien GmbH forderte, Kinder zu erklären, wie Werbung funktioniert. Werbung im Netz zu regulieren sei schwer. Gerade im Internet lasse sich oft nicht einmal unterscheiden, ob es sich um Werbung handele oder ob einfach Fans in selbst produzierten Filmen ein Produkt indirekt anpreisen. „Keine Werbung, keine Handhabung“, so das Fazit von Springensguth.

Wie das aussehen könnte, demonstrierte Birgit Guth, Jugendschutzbeauftragte bei Super-RTL. Sie stellte die Arbeit des Vereins „Media Smart“ vor. Diese Initiative von werbetreibenden Unternehmen und Medien will Grundschülern und Lehrern dabei helfen, Werbebotschaften und -absichten kritisch zu hinterfragen und mit ihnen kompetent umzugehen. Dies sei eine Möglichkeit, „gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen“.


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