Kinderrechte in Deutschland
Engagement – Information – Vernetzung

Sebastian Schiller

Leiter Fachstelle Kinder- und Jugendbeteiligung

030 - 308693-42
Kinder motivieren, ihre Angelegenheiten in die Hand zu nehmen

Umsetzung von Beteiligung

Was ist Partizipation?

Für das Interesse von Menschen an den Entscheidungsprozessen, die ihre Lebenswelt beeinflussen, und für den Wunsch, an diesen Prozessen verantwortungsvoll mitzuwirken, gibt es einen Begriff: Partizipation. Partizipation steht für die aktive Beteiligung von Menschen. Diese Beteiligung kann sich auf die unmittelbare Lebenswelt am eigenen Wohnort beziehen, aber auch auf globale Weichenstellungen gerichtet sein. Die Palette reicht von unverbindlicher Partizipation ohne wirkliche Mitbestimmungsmöglichkeiten bis hin zu völliger Selbstverwaltung.

Zugänge zu Partizipationsprozessen

Der Zugang zur Partizipation allein über Orte und Aktionsfelder er­folgt sehr häufig, z. B. von der Schule oder außerschulischer Kinder- und Jugendtreffpunkte aus. Der folgende Überblick zu relevanten Aktionsfeldern zeigt Ausgangspunkte und Orte der aktiven Kinder- und Jugendbeteiligung:

  • Stadt und Stadtteil (Stadtteilsanierung, Soziale Stadt usw.)
  • Dorf: Dorfentwicklung, Dorferneuerung
  • öffentlicher Raum: z. B. Einkaufszonen, Wohnumfeld
  • Spielraum (Spielplätze, bespielbare Stadt)
  • Nahräume / Nachbarschaft
  • Privatwohnungen
  • informelle Gruppen und Cliquen im Freizeitbereich
  • Verkehr
  • kommunale Verwaltung und politische Institutionen / Gremien (insb. Stadtplanung, Stadtentwicklung, Bauleitplanung usw.)
  • Jugendamt und Jugendhilfeausschuss (Jugendhilfeplanung)
  • Jugendzentren, Jugendfreizeitstätten, Kinderkulturhäuser
  • Schulen
  • Kindertagesstätten
  • Beratungsstellen
  • Krankenhäuser und Kureinrichtungen für Kinder und Jugendliche
  • Institutionen, Organisationen, Firmen und Betriebe usw. für Ausbildung und Studium
  • Vereine und Verbände (Sportvereine, Jugendverbände, Umweltschutz- und Naturschutzverbände, aber z. B. auch NGOs, die sich mit dem Thema Gesundheit beschäftigen
  • kommunale Präventionsräte
  • Medien- und Kultureinrichtungen
  • Internet
  • selbstorganisierte Institutionen und Organisationen von Jugendlichen: Youth-Bank, Schülerfirmen

Themen der Beteiligung

Jedes Themen, das Kinder und Jugendliche betrifft, ist ein Beteiligungsthema. Doch kann man hier zwei Hauptbereiche unterscheiden: soziale und politische Beteiligung. Das Spektrum der Beteiligungsfelder ist somit relativ breit. Es reicht von eindeutig dem politischen Bereich zugehörigen Thematiken bis hin zu sozialen Aspekten bezüglich Kindertagesstätten, Schulen, Peer-Groups oder der Familie. Ein Überblick:

  • Freizeitthemen (einschließlich institutioneller Freizeitangebote, z. B. von Sportvereinen)
  • politische Aushandlungsprozesse (von der lokalen Ebene über die Landesplanung bis zur internationalen Ebene)
  • naturnahe Umgestaltung des Umfeldes von Kindertagesstätten und Jugendzentren
  • Stadtplanung, Stadtentwicklung, Stadtteilsanierung, Bauleitplanung
  • Wohnumfeldgestaltung
  • Spielraumplanung (Spielplätze, Spiellandschaften, bespielbare Stadt, Spielleitplanung)
  • kindgerechter Wohnungsbau
  • Verkehrsplanung
  • kinderfreundliche Dorfentwicklung
  • pädagogische Beteiligung (insb. Schul-Themen, Kindergarten-Themen)
  • Ausbildungs- und Studiensituation
  • Umwelt- und Naturschutz, Agenda 21
  • Umfeldgestaltung, insbesondere naturnahe Umgestaltung des Umfeldes von Kindertagesstätten und Jugendzentren
  • Partizipation in Jugendhilfeplanungsprozessen
  • Beteiligung im Rahmen der Kern-Leistungen des KJHG (Hilfen zur Erziehung)
  • Beratungsthemen (allgemeine Lebensprobleme, Ausbildung, Sexualität, Drogen usw.)
  • Entwicklung von Konzeptionen für Jugendfreizeitstätten, Kinderkulturhäuser, die Jugendverbandsarbeit usw.
  • Partizipation bei der Entwicklung und Ausgestaltung von Präventionsprojekten
  • Gesundheitsprojekte
  • Stärkung der Selbstorganisationsfähigkeit (selbstverwaltete Kinder- und Jugendorganisationen und –initiativen)
  • nichtpädagogische Alltagsthemen in sozialen Nahräumen: Kindertagesstätten
  • Alltagsthemen und Probleme in sozialen Nahräumen, z. B. in der Nachbarschaft, in individuellen Beziehungen informeller Gruppen
  • Alltagsthemen im Alltagsleben der Kommune (Dorf, Stadtteil), im Sportverein usw.
  • Engagement für andere
  • Medien- und Kulturarbeit

Beispiele:

Kinderfreundliche Dorfentwicklung
Im vom Bundesjugendministerium finanzierten Dorferneuerungsprogramm „Dorf für Kinder – Dorf für alle“ wurde in vier Modelldörfern in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern an der kinderfreundlichen Umgestaltung von Dörfern gearbeitet. Kinder und Jugendliche haben am Dorfentwicklungsplan und den relevanten Entscheidungen mitgewirkt und viele Leitprojekte verwirklicht: von der Gründung einer Jugendfeuerwehrgruppe, der Beteiligung an der Erstellung einer Dorfchronik, dem Bau eines Jugendhauses, der Gründung eines Jugendrates, dem Bau einer Kulturarena als Freizeitfläche, der Produktion eines Videofilmes über ihr Dorf bis hin zu Verkehrsplanungsprojekten.

Alltagsthemen und Probleme in sozialen Nahräumen, z. B. in der Nachbarschaft, in individuellen Beziehungen informeller Gruppen
Beteiligung z. B. in der Jugendgruppe des Freizeitbereichs (Was machen wir zusammen?), insbesondere aber in der Familie (Regeln und Grenzen, Freizeit, Taschengeld, Konflikte, Freunde, Mahlzeiten, Kleidung, Haustiere, Zeitrhythmus, Zimmergestaltung, Taschengeld, Fernsehen, gemeinsame Ferienplanung, Wohnung und Umzug, Ausbildung usw.).

Alltagsthemen im Alltagsleben der Kommune (Dorf, Stadtteil), im Sportverein usw.
Bei anstehenden kleineren Veränderungen und Maßnahmen (ein Schild soll umgestellt werden; ein Gerät auf dem Spielplatz soll eine andere Farbe bekommen; ein Termin für ein Fest wird gesucht; einige Bäume sollen gepflanzt werden usw.) werden Kinder und Jugendliche z. B. in einem Gespräch direkt gefragt.

Zielgruppen

Man kann die in der Literatur vorgefundenen Strategien und Methoden nicht einfach unterschiedslos auf jede Zielgruppe anwenden. Manche Methode bevorzugt z. B. verbalisierungsfähige Jugendliche (wie der Parlamentsansatz) und erschwert den Zugang für Jugendliche aus bidlungsfernen Milieus. Es ist also immer sehr genau auf die jeweiligen Besonderheiten und Anforderungen durch spezifische Partizipationsbedingungen einzelner Gruppen zu achten.

Die im folgenden Überblick genannten relevanten Zielgruppen der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen können allesamt Ausgangspunkte besonderer Beteiligungsbemühungen sein:
Geschlechtsspezifische Differenzierung

  • Mädchen
  • Jungen

Schüler/innen und andere

  • Nicht schulpflichtige Kinder, z. B. Kindergartenkinder
  • Grundschulkinder
  • Sekundarstufen-Schüler/innen, Hauptschüler/innen, Gymnasiasten
  • Lehrlinge
  • Studierende

Besondere jugendhilferelevante Gruppen, z. B.

  • Adoptivkinder
  • Teilnehmende von sozialer Gruppenarbeit
  • Pflegekinder
  • Heimkinder usw.

Kinder und Jugendliche aus marginalisierten und sozial benachteiligten Familien und Gruppen

  • Migranten
  • ethnische und soziale Minderheiten
  • Spätaussiedler
  • Flüchtlingskinder / Asylantenkinder
  • Sinti- und Roma-Kinder usw.

Kinder und Jugendliche mit besonderen Problemlagen

  • von Armut betroffene Kinder
  • Kinder von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern
  • psychisch kranke Kinder und Jugendliche
  • behinderte Kinder
  • drogenabhängige Kinder
  • Straßenkinder
  • delinquente Kinder und Jugendliche
  • Angehörige von Jugendgangs
  • Schulschwänzer / Schulmüde usw.

Angehörige jugendlicher Subkulturen

  • Rocker
  • Punker
  • Skins
  • usw.

Beispiel:

Juleica – Schulung für Mädchen mit und ohne Behinderungen
In einer Seminar-Woche erarbeiteten sich die Teilnehmerinnen in theoretischen Einheiten und Rollenspielen die Fähigkeit, Spiele für Kindergruppen anzuleiten, andere Jugendliche zu motivieren und ihre eigene Arbeit zu reflektieren. Auch die mit der Gruppenleitung verbundenen Rechtsfragen wurden erörtert. An einer Stelle ging es bei der Ausbildung zur Jugendleiterin allerdings doch ein wenig anders zu. Es galt die unterschiedlichen Behinderungen der Teilnehmerinnen, wie z. B. Lese- und Schreibschwächen, in der Vorbereitung zu berücksichtigen. So wurden übliche Materialien in leichte und verständliche Sprache übersetzt und alle Arbeitsmaterialien auf CD gesprochen. Mädchen und junge Frauen mit und ohne Behinderung sollten fit gemacht werden für ihre Beteiligungsmöglichkeiten und -rechte in der Kommune. Es sollten Vereinbarungen mit Kommunal- und Landespolitikern getroffen werden, die den beteiligten Mädchen einen direkten Zugang zur Politik ermöglichen. (www.projekt-p.de, 2006)

Aus: Beteiligungsbausteine des Deutschen Kinderhilfswerkes"Aktionsfelder, Themen und Zielgruppen der Beteiligung. Ein Überblick", Baustein C 0.0, Waldemar Stange

Die Beteiligungsbausteine für Kinder- und Jugendbeteiligung des Deutschen Kinderhilfswerkes finden Sie auf www.kinderpolitk.de.